Schülerprojekt startet am Bunker

Workshop mit syrischen Comiczeichnern soll Neuntklässler für Alltagsrassismus sensibilisieren

Quelle: Kieler Nachrichten vom 18.08.2020, Seite 25

Wik. „Sie haben Flaschen auf mich geworden, weil ich ihnen gesagt habe, dass Mobben keinen Spaß macht, sondern psycho ist“: Sude Firinzi (14) nimmt gestern Morgen mit ihrer Schulklasse an einer Führung durch den Flandernbunker teil. Diese Exkursion ist Teil eines Schulprojektes, um die Jugendlichen für das Thema Alltagsrassismus zu sensibilisieren und die Zivilcourage zu stärken. „Ich wollte nicht auch zum Opfer werden, deshalb habe ich nichts gesagt“, ergänzt Samuel Miguel Barreiroschmitt (15), als er erzählt, dass einem dunkelhäutigen Jungen Sätze wie „Du gehörst hier nicht hin, geh zurück nach Afrika!“ zugerufen worden seien.

Die 25 Neuntklässler der Klaus-Groth-Gemeinschaftsschule laufen durch die an diesem heißen Morgen angenehm kühlen Räume des alten Bunkers. Jens Rönnau, Vorsitzender des Vereins Mahnmal Kilian, erläutert die ausgestellten Bilder und erzählt von Kriegszeiten, in denen der Flandernbunker noch in vollem Einsatz war.

Vor zwei Bildern, die Flüchtlinge im Jahr 1945 mit heutigen Fluchtbewegungen gegenüberstellen, bittet er die Jugendlichen: „Versucht mal, Euch in diese Lage hineinzuversetzen. Stellt Euch die Frage: Wie ist es, wenn mir das passieren würde?“

Anschließend gehen die Schüler in den Ausstellungsraum von „Sprechblasen der Menschlichkeit“ – eine Comicsammlung des syrischen Künstlerpaars Hala Ismaeil und Ziead Zankello. Jens Rönnau beauftragt die Schüler, die Comics zu suchen, die das Leben der Künstler in Syrien beschreiben und anschließend von denen zu unterscheiden, die nach ihrer Flucht im Jahr 2015 in Deutschland entstanden. Die Schüler sehen die Werke der Comiczeichner zum ersten Mal, heute werden sie die Künstler persönlich kennenlernen und sogar eigene Comics entwerfen. Das Künstlerpaar kommt nämlich in den Philosophie-Unterricht der Schüler und wird einen Workshop anbieten.

Der Workshop ist ein Teil der Projekttage, die durch ein Förderprogramm der Stadt mit dem Namen „Vielfalt tut gut, Kieler Jugend für Toleranz und Demokratie 2020“ unterstützt werden. „Es würde mich sehr interessieren, wenn die beiden von ihrer Flucht erzählen“, sagt Samuel Miguel Barreiroschmitt, „der Workshop wird sicher Spaß machen.“ Schülerin Sude Firinzi hat früher viele Comics gelesen und zeichnet selbst gerne. „Ich freue mich darauf, mir meine eigene Geschichte auszudenken“, sagt sie. „Comics für Zivilcourage – Comics gegen starre Bilder im Kopf“ lautet der Titel, den die beiden Künstler ihrem Workshop gegeben haben. Jens Rönnau regt spontan an, die Kunstwerke der Schüler weiter zu verwenden: „Wenn Eure eigenen Kunstwerke dann fertig sind, können wir sie vielleicht auch hier ausstellen“, schlägt er vor.

„Die Schüler erzählen häufiger von Situationen, in denen sie Rassismus erleben“, erzählt Philosophielehrerin Katharina Körtke, die das Projekt begleitet. Die Idee sei, dass die Schüler sich auf kreative Weise mit solch schwierigen Themen auseinandersetzten. „Wir haben selbst einen sehr hohen Anteil an Schülern mit Migrationshintergrund und geflüchteten Kindern in unseren Klassen“, sagt die Lehrerin. Deshalb findet sie es wichtig, Menschen in den Unterricht einzuladen, die authentisch von ihren Erfahrungen berichten können. Um etwas gegen Alltagsrassismus in der Schule zu tun, schlägt Schülerin Sude Firinzi vor: „Man könnte mehr Gruppenarbeit in der Schule machen, damit die Kinder miteinander sprechen. So können sie einfacher Freunde werden“, sagt die Vierzehnjährige. „Ich habe mich sehr gefreut, dass die erste Schulklasse nach dem Corona-Ausbruch kommen konnte“, sagt Jens Rönnau. Der Flandernbunker sei nun wieder ein „offenes Haus“ für Besucher und Schulklassen.  

Quelle: Kieler Nachrichten vom 18.08.2020, Seite 25

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